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Fachforum der Arge Landentwicklung und der DLKG
„Land. Klima. Entwicklung. Wandel“

25. und 26. Januar 2023

Bericht:

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Karl-Heinz Thiemann
Vorsitzender der DLKG

Unter dem Motto „Land. Kann. Klima. – Klimaschutz und Klimaanpassung in ländlichen Regionen“ fand am 25. und 26. Januar 2023 das 16. Zukunftsforum Ländliche Entwicklung im Rahmen der Internationalen Grünen Woche (IGW) in Berlin statt.

Aufgrund der äußerst positiven Erfahrungen der pandemiebedingt in den Jahren 2021 und 2022 rein digital durchgeführten Zukunftsforen wurde in diesem Jahr ein hybrides Format umgesetzt. Neben den über 1.100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor Ort verfolgten noch einmal fast doppelt so viele live zugeschaltete Personen die Vorträge und brachten sich online in die Diskussionen ein. Zwei Tage lang wurden in der größten nationalen Veranstaltung für Fragen der ländlichen Entwicklung Impulse gegeben, wie Klimaschutz und Klimaanpassung auf dem Land gemeinsam gestaltet und erfolgreich in die Tat umgesetzt werden können.

Eröffnet wurde das Zukunftsforum von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundesumweltministerin Steffi Lemke, zu Gast war ebenfalls die irische Ministerin für ländliche und kommunale Entwicklung, Heather Humphreys. In seiner Rede hob Cem Özdemir den Ideenreichtum und die Innovationskraft der Menschen in den ländlichen Räumen hervor und führte u. a. aus: „Egal ob Energieversorgung und Mobilität der Zukunft, regionale Wirtschaftskreisläufe oder besserer Schutz vor Extremwettern: die Menschen in den ländlichen Räumen spielen bei der Entwicklung und Umsetzung von Lösungen eine Schlüsselrolle. Wenn wir die Potentiale der ländlichen Räume heben und fördern, sind sie unsere Pioniere und Zukunftsgestalter für einen neuen Wohlstand. Dieser fußt auf einer nachhaltigeren Art des Wirtschaftens mit kurzen Wertschöpfungsketten und einer regionalen Verarbeitung. Dafür muss die Energiewende so gestaltet werden, dass auch die lokale und regionale Wirtschaft davon profitiert. Die Anpassungen an die Klimakrise sind für uns alle eine große Herausforderung, für die wir jeden guten Lösungsansatz aus der Mitte unserer Gesellschaft brauchen. Ich freue mich, dass das Zukunftsforum eine Plattform bietet, damit die maßgeblichen Zukunftsgestalterinnen und -gestalter miteinander reden können, die in den ländlichen Räumen leben und dort Veränderungen gestalten.“ (PM BMEL 9/2023)

Referenten des Fachforums „Land. Klima. Entwicklung. Wandel.“ v.l.n.r.: Christian Klöpper, Prof. Dr. Stefan Siedentop, Beate Tjardes, Kurt Hillinger, Prof. Dr. Karl-Heinz Thiemann und Jürgen Blucha (Foto: ews group) Referenten des Fachforums „Land. Klima. Entwicklung. Wandel.“ v.l.n.r.: Christian Klöpper, Prof. Dr. Stefan Siedentop, Beate Tjardes, Kurt Hillinger, Prof. Dr. Karl-Heinz Thiemann und Jürgen Blucha (Foto: ews group)

Nach der Eröffnung fanden in vier Blöcken insgesamt 32 Fachforen statt, in denen die Thematik aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet und von einer Änderung des Mobilitäts- und Konsumverhaltens über die Energiewende und deren Potenziale für neue Wertschöpfungen bis hin zur digitalen Unterstützung der Klimaanpassung intensiv erörtert wurde.

Hierbei waren die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung (ArgeLandentwicklung) und die Deutsche Landeskulturgesellschaft (DLKG) am Mittwoch, den 25. Januar von 14:00 bis 15:30 Uhr mit ihrem gemeinsamen Fachforum sehr erfolgreich vertreten.

Unter dem Motto „Land. Klima. Entwicklung. Wandel.“ sprach es rund 80 Teilnehmende im Saal und über 100 zugeschaltete Personen an. Gekonnt moderiert wurde die Veranstaltung von Herrn Ingwer Seelhoff und Herrn Freimut-Christian Tiesmeyer-Roller von der ews group gmbh, Lübeck.

In seiner Einführung beschrieb Herr Jürgen Blucha, Vorsitzender der Arge Landentwicklung, die Komplexität der Herausforderungen und betonte, dass sich der Klimawandel inzwischen als beherrschendes Thema in der Stadt- und Landentwicklung etabliert und damit andere, nicht minder wichtige Handlungsfelder in der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt hat, insbesondere die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Der menschengemachte Klimawandel ist unbestritten und wird heute nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt. Zur Bewältigung ist eine Doppelstrategie notwendig, d. h. sowohl der Schutz des Klimas durch eine drastische Minderung der Treibhausgas-Emissionen, um das sog. 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, als auch eine Anpassung an die schon eingetretenen klimatischen Veränderungen.

In den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung wird die Klimaanpassung vornehmlich als Herausforderung für die ländlichen Regionen angesehen und thematisiert, was größtenteils zutreffend ist. Denn in den Städten geht es vornehmlich „nur“ um die Überhitzung in den Sommermonaten mit ihren negativen Auswirkungen auf die Gesundheit beim Aufenthalt im öffentlichen Raum, Wohnen und Arbeiten. Demgegenüber sind im ländlichen Raum die komplexen Aufgaben des Hochwasser-, Gewässer- und Bodenschutzes zu bewältigen, aber auch die Anpassung der Landbewirtschaftung an die zunehmende Sommertrockenheit und der zwingend notwendige Waldumbau zu klimaresistenten Mischbeständen. Aus Sicht der Landentwicklung sind hierzu keine neuen Instrumente notwendig. Vielmehr gewinnen die klassischen landeskulturellen Maßnahmen zur Anpassung der Kulturlandschaften an die veränderten klimatischen Verhältnisse mit anderer Zielrichtung wieder an Bedeutung.

Im Gegensatz zur Klimaanpassung wird der Klimaschutz in der öffentlichen Debatte vorwiegend als urbane Thematik diskutiert. Herr Prof. Dr. Stefan Siedentop, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) sowie Professor an der Technischen Universität Dortmund, stellte dies in seinem Impulsreferat „Klimaschutz im ländlichen Raum – ein kritischer Rückblick und ein optimistischer Ausblick“ richtig. Er beschrieb eindrucksvoll, dass die ländlichen Regionen entgegen der allgemeinen Auffassung wesentlich stärker involviert und betroffen sind. Wie die Städte ist der ländliche Raum mit den Bereichen Mobilität, Wohnen, Gewerbe und Industrie natürlich Verursacher. Hinzu kommen die erheblichen Klimawirkungen der Landwirtschaft, die in den Klimaschutzstrategien bisher erst eine untergeordnete Rolle spielen. Ferner ist der ländliche Raum auch Betroffener, vor allem in Bezug auf die immer häufiger auftretenden Wetterextreme Hochwasser und Trockenheit. Darüber hinaus hat der ländliche Raum die hauptsächlichen Lasten der Energiewende zu tragen, wie am Ausbau der Windenergienutzung und Leitungsnetze deutlich wird. Dies unmissverständlich aufzuzeigen, war ein wichtiges Anliegen des Vortrags von Herrn Prof. Siedentop.

Die Trias von Verursacher, Betroffener und Energieausbauträger spannt einen komplexen Handlungsrahmen auf, den Herr Kurt Hillinger, Leiter des Amtes für Ländliche Entwicklung Oberpfalz, für die Land- und Dorfentwicklung näher beleuchtete. Aus den Erfordernissen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung ergeben sich aber nicht nur Lasten, sondern auch vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten und Wertschöpfungspotenziale, die es gezielt zu nutzen gilt. In seinem Fachvortrag konnte Herr Hillinger natürlich nur einige Beispiele und wichtige Ansatzpunkte aufzeigen, die jedoch verdeutlichten, dass gerade der Klimaschutz auch erhebliche Chancen für die Entwicklung der ländlichen Regionen mit sich bringt, deren Nutzen gleichzeitig zu einer größeren Akzeptanz für die notwendigen Maßnahmen führt.

Vor allem im norddeutschen Raum kommt dem Moorschutz eine besondere Bedeutung zu, wie Frau Beate Tjardes und Herr Christian Klöpper vom Landesamt für Landwirtschaft und nachhaltige Landentwicklung des Landes Schleswig-Holstein am Beispiel des Flurbereinigungsverfahrens Offenbütteler Moor, Kreis Dithmarschen, aufzeigten. Im Verfahren, das im Jahr 2010 mit einer Fläche von rd. 1.300 ha angeordnet wurde, ist es erfolgreich gelungen, ein bewirtschaftetes Moor durch Wiedervernässung und Renaturierung von einem Treibhausgas-Emittenten wieder zu einer nachhaltigen Kohlenstoffsenke zu machen. Hierzu bietet die Flurbereinigung sowohl die planungsrechtlichen als auch die bodenordnerischen Instrumente, wie anschaulich aufgezeigt wurde.

In seinem Schlusswort fasste Herr Prof. Dr. Karl-Heinz Thiemann, Vorsitzender der DLKG, die hier dargestellten Ergebnisse des Fachforums zusammen und ging speziell auf die ländliche Bodenordnung näher ein. Immer dann, wenn Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung zu Landnutzungskonflikten führen, sollte die Flurbereinigung stärker als bisher genutzt werden, um die Vorhaben eigentums- und nutzungs- sowie natur- und umweltverträglich zu realisieren. Hierzu wurde in der zweiten Novelle des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) im Jahr 1994 das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren zur Landentwicklung geschaffen. In einer langen und intensiven Rechtsprechung sind die Anwendungsmöglichkeiten inzwischen geklärt. Das sog. Landentwicklungsverfahren dient insbesondere dazu, die von Vorhaben und Planungen Dritter ausgehenden Landnutzungskonflikte zum Wohle der Grundstückseigentümer und Flächennutzer bodenordnerisch zu lösen und damit gleichzeitig deren Umsetzung zu ermöglichen. Da die mindestens wertgleiche Landabfindung aller Teilnehmer auch oberstes Prinzip der Landentwicklungsverfahren ist, bleibt das Grundvermögen vollumfänglich erhalten, was wiederum zu einer Akzeptanzsteigerung für die anstehenden Vorhaben und Planungen führt.

Das Fachforum „Land. Klima. Entwicklung. Wandel.“ hat eindrucksvoll den dringenden Handlungsbedarf zum Klimaschutz und die Beiträge der Landentwicklung aufgezeigt. Ferner wurde dargelegt, wie mithilfe der Dorferneuerung und Flurbereinigung wesentliche Beiträge zur Anpassung an die veränderten klimatischen Verhältnisse schnell und effizient umgesetzt werden können. Darüber hinaus kann die Landentwicklung mit ihren Instrumenten Kommunen, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen bei der Transformation in Richtung Klimaneutralität einbeziehen, Ressourcenökonomie unterstützen und zur Lösung von Zielkonflikten beitragen.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass das vollständige Programm und die Dokumentation aller Zukunftsforen seit 2008 auf Zukunftsforum Ländliche Entwicklung zu finden sind. Hier sind auch die Präsentationen zu den genannten Vorträgen des Fachforums eingestellt.