Skip to main content

Visionen der Landentwicklung in Deutschland

Fachtagung am 26. April 2016 anlässlich der Verabschiedung
von Herrn Prof. Axel Lorig in den Ruhestand

Bericht:

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Karl-Heinz Thiemann
Vorsitzender der DLKG

Herr Prof. Axel Lorig hat in seiner beruflichen Laufbahn nicht nur Konzepte und Strategien, sondern auch Visionen für die Entwicklung der ländlichen Räume erarbeitet und – was mindestens ebenso wichtig ist – auch zur Umsetzung gebracht.

Frau Siglinde und Herr Prof. Axel Lorig (Quelle: DLKG)

Frau Siglinde und Herr Prof. Axel Lorig

Als Referent für die Landentwicklung, Bodenordnung und Landeskulturverwaltung im Landwirtschaftsministerium des Landes Rheinland-Pfalz hat er eine moderne und überaus effektive Flurbereinigungsverwaltung aufgebaut, die unter seiner Leitung zu einer maßgeblichen Kraft zur integralen Entwicklung der ländlichen Räume des Landes geworden ist.

Insbesondere als Leiter des Arbeitskreises „Grundsatzangelegenheiten“ der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung (ArgeLandentwicklung) hat er seine Visionen auch bundesweit in die Praxis transportiert und kann daher mit Recht als Motor der Landentwicklung in Deutschland bezeichnet werden. Es verwundert daher nicht, dass bei seiner Verabschiedung in den wohlverdienten Ruhestand mehr als 400 Gäste anwesend waren, die quasi das „Who is Who“ der Landentwicklung in Deutschland abbilden.

Die Verabschiedung von Prof. Lorig aus dem aktiven Landesdienst erfolgte im Rahmen der gemeinsamen Fachtagung des Verbandes der Teilnehmergemeinschaften (VTG) und des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten (MULEWF) des Landes Rheinland-Pfalz, die entsprechend seinem Wirken den Titel „Visionen der Landentwicklung in Deutschland“ trug und inhaltlich auch so ausgestaltet war. Die Veranstaltung wurde sehr charmant und gekonnt von Frau Dr. Andrea Soboth, Institut für Regionalmanagement (IfR) Gießen, geleitet und moderiert.

Zu Beginn der Fachvorträge erörterte Prof. Dr. Theo Kötter, Vorsitzender des Ausschusses Geodäsie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (DGK), in seinem Referat „Gleichwertigkeitspostulat für ländliche Räume – verlorenes Ziel oder neue Vision?“ die aktuellen Handlungserfordernisse zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Er kam dabei zu dem Schluss, dass die Raumordnung und Landesentwicklung einer Neuausrichtung ihrer gesellschaftspolitischen Ziele bedarf, wobei zu klären ist, welches Ausmaß an räumlichen Disparitäten hingenommen werden kann und mit welchen Konzepten die dann zu verfolgenden Gleichwertigkeitsansprüche umgesetzt werden können. Diese anspruchsvolle Aufgabe ist u. a. Betätigungsfeld der Geodäten als Landmanager und Landentwickler.

In diesem Zusammenhang stellte Prof. Dr. Klaus Kummer FRICS, Vorsitzender des Kuratoriums des Oberprüfungsamtes (OPA), die Reform des technischen Referendariats dar und hob hervor, dass der Vorbereitungsdienst in Verbindung mit dem Studium die hierzu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt. Damit war der Übergang zu den heute anstehenden Aufgaben in der ländlichen Entwicklung gegeben.

Prof. Dr. Martina Klärle, Frankfurt University of Applied Sciences, analysierte in ihrem Vortrag die neuen Herausforderungen der Digitalisierung, des demografischen Wandels und der Energiewende und führte eindrucksvoll vor Augen, dass hierin auch erhebliche Entwicklungspotenziale für die ländlichen Räume liegen.

Diese können mit den vielfältigen Instrumenten der ländlichen Entwicklung erschlossen werden, wie es Wolfgang-Günther Ewald, Leiter des Arbeitskreises Grundsatzangelegenheiten der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung (AK I der ArgeLandentwicklung), in seinem Beitrag „Antworten der Landentwicklung auf die Herausforderungen in ländlichen Räumen“ prägnant belegte.

Paul Frowein, Leiter des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, betrachtete im Rückblick auf seine rd. 50-jährige Tätigkeit in der Landeskulturverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz die Entwicklung der ländlichen Bodenordnung und ihrer Zielstellungen seit den 1950er Jahren. Dabei stellte er mit anschaulichen Beispielen aus Rheinland-Pfalz dar, dass die Flurbereinigung immer ein Spiegelbild der sich wandelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben ist. Dies muss bei der Bewertung der aus heutiger Sicht verfehlt erscheinenden Landeskulturmaßnahmen der 50er und 60er Jahre beachtet werden und ist auch zu berücksichtigen, wenn in Zukunft die heutigen Maßnahmen der ländlichen Neuordnung beurteilt werden.

Nach dieser eher historischen Betrachtung beleuchtete Prof. Dr. Karl-Heinz Thiemann, Vorsitzender der Deutschen Landeskulturgesellschaft (DLKG), die wesentlichen Arbeitsergebnisse und Strategieentwicklungen der DLKG in den letzten zehn Jahren (2006 bis 2015). Sie liegen in den Bereichen Integrierte Ländliche Entwicklung (ILE) und demografiegerechter, sozialer Dorfumbau, Energiewende und Waldflurbereinigung sowie Gewährleistung einer nachhaltigen Infrastrukturausstattung im ländlichen Raum. Auf diesen Feldern gingen wichtige Impulse und entscheidende Weichenstellungen für die Landeskultur und Landentwicklung in Deutschland von der DLKG aus.

Im abschließenden Beitrag der Fachvortragsreihe stellte Hartmut Alker, Vorsitzender der ArgeLandentwicklung, die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung näher vor und beschrieb die Arbeitsweise, Ansätze und Konzepte der drei Arbeitskreise Grundsatzangelegenheiten, Recht sowie Technik und Automation. Dabei wurde insbesondere anhand der umfangreichen Auflistung der Strategiepapiere und Arbeitsempfehlungen zu den wesentlichen Handlungserfordernissen in ländlichen Regionen ihre Bedeutung für eine effiziente und abgestimmte Landentwicklung in Deutschland deutlich.

Die Referenten der Fachvortragsreihe waren so ausgewählt, dass sie zugleich die Institutionen vertraten, mit denen Prof. Axel Lorig über Jahrzehnte hinweg eng und intensiv zusammengearbeitet hat. Sie brachten in ihren Vorträgen das fruchtbringende Wirken von Prof. Lorig als Ideen- und Impulsgeber zum Ausdruck und betonten sein hohes Engagement bei der Erarbeitung einer großen Anzahl von Strategiepapieren sowie der Vorbereitung und Durchführung vieler Veranstaltungen zu den unterschiedlichsten Themen der Landentwicklung.

Hieran knüpfte Dr. Thomas Griese an, der zum Zeitpunkt der Tagung kurz nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz (13. März 2016) noch Staatssekretär im damaligen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten war.

Er legte die heutige Ausrichtung und den beeindruckenden Leistungsstand der Landeskulturverwaltung dar, um darauf aufbauend die Verdienste von Prof. Lorig zu würdigen, der hieran einen erheblichen Anteil hat. Dr. Griese beschrieb das Lebenswerk von Prof. Lorig im Einzelnen, was hier nicht wiedergegeben werden kann, weil es den Rahmen des Tagungsberichts sprengen würde.

Teilnehmer der anschließenden, überaus interessanten Podiumsdiskussion waren Johannes Billen (Präsident des VTG RLP), Reinhard Bossert (Vizepräsident des Weinbauverbandes Pfalz), Eberhardt Hartelt (Präsident des Bauern- und Winzerverbandes RLP Süd), Michael Horper (Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau), Ekkehard Horrmann (Präsident des Bundesverbandes der Teilnehmergemeinschaften), Gerd Ostermann (Agrarexperte des NABU RLP) und Hubert Pauly (Präsident des Weinverbandes Ahr). Die Verbandsvertreter setzten sich schwerpunktmäßig mit den vielfältigen Wirkungen der Flurbereinigung für die Landwirtschaft und den Weinbau sowie die Erhaltung der Kulturlandschaften einschließlich des Biotop- und Artenschutzes auseinander.

Zum Schluss der Tagung schilderte Johannes Billen in einer sehr persönlichen und heiteren Rede aus seiner Sicht des VTG RLP nochmals die Leistungen von Prof. Lorig für die Entwicklung der ländlichen Räume in Rheinland-Pfalz. Prof. Dr. Klaus Böhm, Leiter der Lehreinheit Geoinformatik und Vermessung an der Hochschule Mainz, veranschaulichte die langjährige, überaus erfolgreiche Arbeit von Prof. Lorig als Hochschullehrer.

Danach sprach Prof. Lorig selbst und fasste die Fachvorträge und die Podiumsdiskussion zusammen, ging dabei als Danksagung aber auch auf die Ehrenschrift „Visionen der Landentwicklung in Deutschland“ ein, die die Deutsche Landeskulturgesellschaft zur Würdigung seines Lebenswerks anlässlich seiner Verabschiedung an diesem Tag herausgegeben hat. Die Schrift enthält nicht nur die schriftliche Fassung der genannten sieben Fachvorträge, sondern darüber hinaus Beiträge von 48 weiteren Autoren aus dem beruflichen Netzwerk von Prof. Lorig zu Stand und Perspektiven der Landentwicklung in Deutschland. Die breite Palette der Artikel setzt sich mit den aktuellen Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume auseinander und gibt richtungsweisende Impulse für deren Zukunft. Die Beiträge decken nahezu alle Facetten der Landentwicklung ab und schließen auch Fragen der Aus- und Fortbildung sowie der technischen Innovation und Verwaltungsmodernisierung mit ein. Über das Werk erscheint in Kürze eine Buchbesprechung in der Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement (zfv).

Insgesamt wurde die Tagung ihrem Titel „Visionen der Landentwicklung in Deutschland“ voll und ganz gerecht, indem aufgezeigt wurde, wie Visionen erarbeitet, in Strategien überführt und anschließend als Mainstream in der Praxis etabliert werden. Darüber hinaus wurden aber auch neue Ansätze zur Weiterentwicklung der Landentwicklung aufgezeigt, aus denen neue Visionen entstehen können. Bei all dem wurde das überaus erfolgreiche Wirken von Prof. Axel Lorig deutlich.

Die Tagung war zugleich ja auch seinem Lebenswerk gewidmet, was sich nicht zuletzt in der außergewöhnlich großen Resonanz von über 410 Teilnehmern aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland zeigte. Der offizielle Teil der Veranstaltung schloss mit der in Rheinland-Pfalz bei Verabschiedungen dieser Art üblichen und dem Geehrten gewidmeten heiteren Gesangsstücken. In Anschluss war bei Wein und Brotzeit ausreichend Gelegenheit für Gespräche und vertiefende Diskussionen bis in den frühen Abend.