Die Deutsche Landeskulturgesellschaft auf dem
11. Zukunftsforum Ländliche Entwicklung 2018 in Berlin

Bericht:

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Karl-Heinz Thiemann
Vorsitzender der DLKG

Zukunftsorientierte Dorfentwicklung, 24. Januar 2018. Foto: BMEL / Ingo Heine Zukunftsorientierte Dorfentwicklung, 24. Januar 2018. Foto: BMEL / Ingo Heine

Die Deutsche Landeskulturgesellschaft (DLKG) hat sich nach der Premiere im Jahr 2017 nun zum zweiten Mal überaus erfolgreich auf dem Zukunftsforum Ländliche Entwicklung in Berlin präsentiert.

Es ist bereits eine gute Tradition, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) begleitend zur Internationalen Grünen Woche das Zukunftsforum Ländliche Entwicklung (ZLE) ausrichtet.

Das Zukunftsforum ist der Höhepunkt des nationalen Teils der Internationalen Grünen Woche und zugleich eine der größten Veranstaltungen im Bereich der ländlichen Entwicklung in Deutschland. Es fand in diesem Jahr unter dem Motto „Dynamik und Vielfalt – Potenziale der ländlichen Räume nutzen“ in Berlin am 24. und 25. Januar 2018 statt und verzeichnete mit über 1.150 Teilnehmern einen neuen Besucherrekord.

In seiner Eröffnungsrede hob Bundesminister Christian Schmidt hervor, dass das Leben auf dem Land attraktiv für Jung und Alt bleiben muss. Deshalb habe das Bundeslandwirtschaftsministerium die ländlichen Räume unter anderem durch eine eigenständige Abteilung in den Fokus seiner Arbeit gerückt und damit zugleich die Weichen für ein Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ländliche Räume gestellt, welches mit erweiterten Zuständigkeiten eine „Politik aus einem Guss“ bieten könne. Wichtige Bausteine hierzu seien eine stärkere Verschränkung der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) mit der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW), aber auch die Vereinfachung der Förderung und eine Stärkung innovativer Ansätze in der Landentwicklung durch den „Mut zum Versuch“.

Im anschließenden Impulsvortrag stellte Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistages und Vorsitzender des Sachverständigenrats Ländliche Entwicklung beim BMEL, die Erwartungen an die Politik des Bundes für die ländlichen Räume in der neuen Legislaturperiode 2017–2021 aus Sicht der Kommunen dar. Im Mittel betrachtet haben die 294 Landkreise in Deutschland eine durchaus positive Entwicklung zu verzeichnen. Daher gelte es, für diejenigen Gebiete förderliche Bedingungen zu schaffen, die an dieser guten wirtschaftlichen Entwicklung nur unterdurchschnittlich partizipieren und oft gleichzeitig mit Einwohnerverlusten umzugehen haben, die gerade auch die Finanzierung der Daseinsvorsorge schwierig machen. Vor allem die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, das Bestehen im regionalen Attraktivitätswettbewerb und die Anpassung der Infrastrukturen an veränderte demografische Bedarfe kosten Geld und erfordern mehr als punktuelle Finanzspritzen über Projektmittel, Investitionshilfen und Modellvorhaben.

Eine auskömmliche originäre Finanzausstattung der Kreise und Gemeinden sei dringend erforderlich, damit diese überhaupt in die Zukunft investieren können. Neben vielen anderen Aspekten der Wirtschaftsförderung und Infrastrukturausstattung ist dabei die Digitalisierung von besonderer Bedeutung.

Genau dieses Handlungsfeld war Gegenstand der Begleitveranstaltung Nr. 1 „Zukunftsorientierte Dorfentwicklung“, die gemeinsam von der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung (ArgeLandentwicklung) und der Deutschen Landeskulturgesellschaft (DLKG) durchgeführt wurde. Sie lag mit über 310 angemeldeten Teilnehmern von insgesamt 1.166 Anmeldungen zu allen 24 Begleitveranstaltungen des 11. Zukunftsforums weit vorn, was eindrucksvoll belegt, dass die ArgeLandentwicklung und die DLKG mit dem Thema „Zukunftsorientierte Dorfentwicklung“ ein drängendes Handlungsfeld aufgegriffen und den Nerv der Zeit getroffen haben.

Ministerialdirigent Dr. Ekkehard Wallbaum, Vorsitzender der ArgeLandentwicklung, stellte in seiner Begrüßung und Eröffnung die Bedeutung der Digitalisierung für die wirtschaftliche Entwicklung der ländlichen Räume und die Möglichkeiten zur Organisation der Daseinsvorsorge heraus und betonte die neuen Formen der Beteiligung in Planungs- und Entwicklungsprozessen. Die weitere Moderation der Veranstaltung übernahm Univ.-Prof. Dr. Karl-Heinz Thiemann, Vorsitzender der DLKG.

In einem Grundsatzreferat stellte Univ.-Prof. Dr. habil. Eva-Maria Kern, MBA, Professur für Wissensmanagement und Geschäftsprozessgestaltung an der Universität der Bundeswehr München, eindrucksvoll Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung in ländlichen Räumen dar. Hierzu erläuterte sie die Bedeutung der Digitalisierung als gesellschaftlicher Transformationsprozess und die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnik als Befähiger für die Gestaltung digitaler Anwendungen. Die Digitalisierung biete zusätzliche Möglichkeiten mit denen aber kein Bruch mit bisher bewährten Methoden verbunden sei. Zusammenfassend stellte Prof. Kern fest, dass die Digitalisierung als Chance für ländliche Räume anzusehen sei, wenn es durch die Nutzung entsprechender Anwendungen gelingt, die Standortattraktivität aus Sicht der verschiedenen Anspruchsgruppen (Bürger, Betriebe und Verwaltung) zu erhalten bzw. zu erhöhen. Die wesentlichen Herausforderungen bestehen darin, eine flächendeckende technische Infrastruktur zu schaffen und maßgeschneiderte digitale Anwendungen zu entwickeln, die einen spürbaren Mehrwert bieten.

Neben diesen technischen Fragen sind Akzeptanz und Beteiligung möglichst aller Bevölkerungskreise wesentliche Erfolgsfaktoren. Daher ging Dr. Andrea Soboth, Institut für Regionalmanagement (IfR), Gießen, gezielt darauf ein, wie das Change Management zur aktiven Gestaltung des digitalen Wandels genutzt werden kann. Denn schon seit geraumer Zeit werden die Prinzipien des Change Managements auch in der ländlichen Entwicklung angewendet. Unter der Bezeichnung „Lokale Veränderungsprozesse (LVP)“ wurde in Übertragung des 8-Stufen-Veränderungsfahrplans nach John Kotter ein neues Instrument der Landentwicklung vorgeschlagen und in Pilotverfahren erprobt.

Hier konnte gezeigt werden, dass ein solcher Veränderungsprozess erfolgreich mit dem gesellschaftlichen Wandel umgehen kann. Aber auch für die Gestaltung digitaler Transformationsprozesse lassen sich die Prinzipien des Change Managements anwenden. Besonders herausgehoben sind hier die Aspekte Bewusstseinsbildung, Visionsorientierung und Befähigung. Das Internet, Social Media oder Messenger-Dienste können neue Kommunikationskanäle eröffnen, die mit klassischen Formaten wie Zukunftskonferenzen oder Workshops kombiniert werden sollten. Besonderes Augenmerk sollte auf die Nutzung der Bürgerhäuser gelegt werden. Diese könnten, nachdem in den letzten Jahren ihr Umbau zu Mehrfunktionshäusern verstärkt gefördert wurde, nun auch zu sozialen Erfahrungsräumen der Dorfbevölkerung für die Chancen der Digitalisierung weiterentwickelt werden.

Dabei sind besonders die Kinder und Jugendlichen mit einzubeziehen. In diesem Kontext erläuterte Dipl.-Ing. Rüdiger Schmidt, Gemeinde Hohe Börde, das Konzept eines Jugendclubs in Form eines Jugendmobils, welches als Modellprojekt der Sozialen Dorfentwicklung über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Rahmen des Bundesprogramms Ländliche Entwicklung (BULE) gefördert wird. Das Projekt wurde im Wettbewerb Demografiepreis Sachsen-Anhalt 2017 in der Kategorie „Perspektiven für Familien und Kinder“ mit dem 3. Preis ausgezeichnet.

Um den Bogen von der Theorie zur Praxis und konkreten Umsetzung zu schlagen, wurden zwei bundesweit bedeutsame Best-Practice-Beispiele vorgestellt. Gerald Swarat, Leiter des Kontaktbüros Berlin des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (IESE), stellte Ansatz und Konzeption der „Digitalen Dörfer“ als Pilotprojekt des Landes Rheinland-Pfalz vor. Hierauf aufbauend beschrieb Julia Steingaß in ihrer Funktion als Projektkoordinatorin die konkrete Umsetzung und die bisher erreichten Erfolge in der Verbandsgemeinde Göllheim und bestätigte damit die von Prof. Kern getroffenen Aussagen hinsichtlich Chancen und Herausforderungen für die zukunftsorientierte Dorfentwicklung.

Ferner stellte Sabine Gollner, Impulsstrategin aus Bad Berneck, mit der „Schaltzentrale im Fichtelgebirge“ das von der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung initiierte Projekt eines überaus gelungenen Coworking Spaces im ländlichen Raum vor. Das Projekt verbindet die Stärkung der Wirtschaftskraft durch Unterstützung unternehmerischer Menschen und Förderung der Kreativwirtschaft mit einer sinnvollen Belebung von leerstehenden Gebäuden und bewirkt damit zugleich eine dauerhafte Imagewerbung für die Region.

Zusammenfassend ist aus Sicht der DLKG festzuhalten, dass auch der zweite Auftritt beim Zukunftsforum Ländliche Entwicklung sehr erfolgreich war. Dies zeigt sich zum einen an der hohen Teilnehmerzahl und zum andere an dem durchweg guten Echo nach der Veranstaltung. Von der Begleitveranstaltung gingen richtungsweisende Impulse und wichtige Strategieüberlegungen für die Digitalisierung als Bestandteil einer zukunftsorientierten Dorfentwicklung aus, die nachhaltig weiter wirken werden. Das vollständige Programm und die Dokumentation aller Zukunftsforen seit 2008 finden Sie auf der Homepage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft unter www.zukunftsforum-laendliche-entwicklung.de. Hier sind auch die Präsentationen und schriftlichen Ausarbeitungen der genannten Vorträge veröffentlicht, sofern sie von den Referenten zur Verfügung gestellt wurden.